Darüber spricht das Netz … im Oktober
Für pb21.de – Web 2.0 in der politischen Bildung schreibe ich jeden Monat eine Webschau. Hier ist die aktuelle Ausgabe:
Die Webschau im Oktober blickt sehr ausführlich über den Tellerrand: Wie sich die Protestierenden in Hongkong organisieren, dass eine dringend gebrauchte Brücke zur islamischen Welt gefährdet ist und Australien in Sachen Überwachung ordentlich nachlegt.
Außerdem: Schule und Medienwandel, wer neuerdings die obersten Datenschützer sind und was der Schulbuch-O-Mat so macht.
Was fehlt? Mal wieder ein Geburtstag: Der Ur-Browser Netscape Navigator wird 20 Jahre alt.
Lesetipp: Netzpolitische Bewegung
In seinem Beitrag „Was der netzpolitischen Bewegung fehlt“ schreibt Johnny Haeusler auf spreeblick.com: „Meiner Meinung nach klemmt es in Sachen Netzpolitik bzw. der Gegenwehr gegen den Überwachungsstaat nämlich nicht allein wegen der Komplexität technischer Möglichkeiten oder wegen fehlender Narrative/Metaphern. Sondern auch wegen einem Mangel an Kreativität, Humor und Verbrüderung und Verschwesterung mit anderen Disziplinen und ‚Szenen‘. Und auch an einem Mangel an Aggression.“ Er fordert also mehr erstens mehr Kunst und Kreativität: „Ich stelle mir eine Art von ‚Digitalem Zivilen Ungehorsam‘ vor. Mit viel Stil, Geschick, Attitüde.“ Zweitens eine schlauere Nutzung von YouTube: „Ein gut gemachtes, unterhaltsames und in erster Linie netzpolitisch geprägtes YouTube-Format mit Tempo und Witz wäre der Kracher.“. Und drittens: Wut. „ […] manchmal frage ich mich schon, was man mit uns anstellen muss, bis wir mal wirklich gleichzeitig Hals und Eier haben und anfangen, uns zu wehren. […] Ich frage mich, warum nicht jeder öffentliche Auftritt von politischen Lügnerinnen und Lügnern in Pfeifkonzerten und im Tomatenhagel untergeht.“
#netzpolitik #spreeblick
Kurzmeldungen
Schule und Medienwandel
Holt die Gadgets in die Schule!
„Der digitale Alltag wird in unseren Schulen ausgesperrt. Das muss ein Ende haben. Digitalisierung ist weit mehr als die Fortsetzung der Bildung mit anderen Mitteln.“ Ein Beitrag von pb21-Autor Ralf Appelt und Christina Schwalbe von der Universität Hamburg auf xing.de.
Eine Idee macht Schule
„Aus der Not entstand eine beispielhafte Privatinitiative: die Hacker School.“ Weiter ist auf brandeins.de zu lesen: „In vielen Schulen wird nur noch der Umgang mit Microsoft-Office-Produkten und ein bisschen Google gelehrt. Während etwa Schüler in Estland von der ersten Klasse an programmieren lernen und britische Bildungspolitiker gerade angekündigt haben, das Erlernen einer Programmiersprache in die Lehrpläne aufzunehmen, ist die Situation an deutschen Schulen ziemlich verworren. […] Das Fach Informatik hat in Deutschland keinen Stellenwert. Wenn Schüler Computerkenntnisse besitzen, dann nicht wegen, sondern trotz Schule.“
#schule #informatik #digitalisierung #medienwandel
Datenschutzkronen
„Nach dem PR-trächtigen Start einer Apple-Offensive zum Sichern der Privatsphäre der iPhone-Nutzer keilt Eric Schmidt, Chef des Verwaltungsrats von Google, zurück: Man sei der Konkurrenz bei der IT-Sicherheit weit voraus. […] Bürgerrechtler und Datenschutzexperten freut der neue Wettstreit der IT-Titanen.“ Anders der FBI-Direktor James Comey: Er „hat mit deutlichen Worten vor den Verschlüsselungsplänen von Google und Apple gewarnt. Wenn Daten auf Smartphones standardmäßig verschlüsselt werden, könnten Mordfälle ungelöst bleiben, Verdächtige freikommen und Gerechtigkeit verhindert werden. “ Aktuelle Meldungen dazu auf heise.de.
#datenschutz #apple #google #fbi
Der Schulbuch-O-Mat
… ist eine Plattform für freie und kostenlose digitale Schulbücher (pb21.de berichtete). Mit Hilfe von Crowdfunding – der Masse aus dem Netz, die versucht Projekte zu finanzieren – und mit einer Gruppe von Freiwilligen erarbeiteten sie das erste deutsche offene digitale Schulbuch: Biologie für die 7. und 8. Klasse. Jeder kann sich das interaktive E-Book gratis herunterladen, kopieren und weiterverbreiten, es ergänzen und Änderungen vorschlagen. Die Resonanz war anfangs groß, mittlerweile ist der Enthusiasmus aber Ernüchterung gewichen. Zwei geplante Schulbücher sind in diesem Jahr an mangelndem Interesse gescheitert.“ Warum die Macher trotzdem an ihre Idee glauben kann man bei deutschlandradiokultur.de nachlesen.
#oer #schulbuch-o-mat
Big Data: Smarte Stadt, gefährliche Stadt
„Mit dem Durchbruch von Big Data und dem Internet der Dinge kündigt sich auch die Vermessung und Steuerung des öffentlichen Raums an. Die Digitalisierung der Städte schafft nicht nur Planbarkeit und Effizienz, sondern auch neue Kontroll- und Überwachungsinstrumente. Um eine subtile Manipulation der Gesellschaft zu verhindern, müssten aber die Bürger die Stadt kontrollieren, nicht umgekehrt. […] Noch spannender als die Smart Citys und kybernetischen Gesellschaften wird es sein, welche neuen Taktiken ihre Bürger entwickeln werden, um deren Steuerungsversuche zu unterlaufen. Am Ende könnte sich herausstellen, dass die Bürger einer Stadt smarter sind, als sie es je sein wird.“ Mehr lesen auf irights.info.
#bigdata #smarte_stadt
Blick über den Tellerrand
„Sieg der Terroristen“: Australien erweitert Überwachungsgesetze
„Die scharf kritisierte Erweiterung der Überwachungsbefugnisse in Australien ist nun durch beide Kammern des Parlaments. Damit wird nicht nur die Internetüberwachung legal, auch Whistleblowing wird noch stärker kriminalisiert.“ schreibt heise.de.
#australien #ueberwachung
Wie wichtig ist Qantara.de als Brücke zur islamischen Welt?
Qantara.de, ein Online-Portal der Deutschen Welle ist dem Dialog mit der islamischen Welt gewidmet. „Gefördert wird sie vom Auswärtigen Amt, dem Goethe-Institut, der Bundeszentrale für Politische Bildung und dem Institut für Auslandsbeziehungen. Gegründet wurde sie auch im Zuge der zunehmenden Ressentiments gegen den Islam nach den Anschlägen vom 11. September. Jetzt ist bekannt geworden, dass die Förderung Ende des Jahres auslaufen könnte und Qantara damit vor dem Aus stünde.
Eine Einstellung wäre ‚tragisch‘, sagt Qantara-Autor Stephan Weidner. ‚Wir schicken Waffen in die Region, wir schicken Ausbilder in den Nordirak, wir engagieren uns so sehr in der islamischen Welt militärisch, wie wir es nie (zuvor) getan haben. Und dann zu sagen, diese 300.000 Euro (…) um ein Gespräch zu führen mit den Menschen dort, das ist uns zu viel: Das grenzt an Schamlosigkeit.’“ Nachzulesen auf deutschlandradiokultur.de.
#qantara
Türkisches Verfassungsgericht kippt Verschärfung des Internetgesetzes
„Das Verfassungsgericht in Ankara hat die jüngste Verschärfung des Internetgesetzes in der Türkei gekippt. Das Gericht untersagte der Telekommunikationsbehörde, Daten über das Surfverhalten von Internetnutzern uneingeschränkt zu sammeln, wie türkische Medien berichteten. Außerdem werden demnach die Möglichkeiten der Behörde eingeschränkt, Internetseiten ohne Gerichtsbeschluss sperren zu lassen.“ so heise.de.
#tuerkei #verfassung
Hongkong: Mesh-Netzwerk ermöglicht Demonstranten die Kommunikation
„Die Großdemonstrationen in Hongkong, die tagelang von der chinesischen Regierung mehr Demokratie forderten, sind nicht nur politisch bedeutsam, sondern auch eine kleine technische Revolution. Ein großes mobiles Messaging-Netzwerk hatte sich unter den Protestierenden gebildet, das unabhängig von bestehenden Mobilfunknetzen arbeitet. Die Anwendung ‚Firechat‘ erlaubt eine direkte Kommunikation von Telefon zu Telefon. Dabei wird entweder der Kurzstreckenfunk Bluetooth oder die WLAN-Variante WiFi Direct verwendet. Mit einer Mobilfunk- oder WLAN-Basisstation muss niemand verbunden sein.“ Ausführlicheres in der Technology Review (heise.de/tr).
#hongkong #protest #mesh
EU-Kommission redet mit Facebook über ISIS-Gegenmaßnahmen
„Im Kampf gegen Jihadistische Propaganda im Internet setzt die EU-Kommission auf die Hilfe großer Internet-Konzerne wie Google, Facebook und Twitter. Bei ersten Gespächen soll es um die Frage gehen, ‚wie private Unternehmen und die Regierungen zusammenarbeiten könnten.’“ berichtet futurezone.at.
#is #eu
Debatte: „Der High-Tech-Frieden braucht eine neue Art von Humanismus“
Mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ist in diesem Jahr Jaron Lanier ausgezeichnet worden. „’Wir leben in sehr gruseligen Zeiten‘, sagt Lanier. Wer seine Daten Internet-Diensten wie Google und Facebook kostenlos überlasse, trage dazu bei, dass sich der Reichtum in den Händen weniger Milliardäre konzentriere. Zugleich werde die breite Mittelschicht der Gesellschaft geschwächt. Dies erinnere ihn an die Kolonialzeit, als die Ausbeutung von Rohstoffen in neu besiedelten Ländern den dort lebenden Menschen keinerlei Nutzen gebracht habe.“ (heise.de)
Thierry Chervel dazu auf perlentaucher.de: „Mit erstaunlicher Nonchalance hat Lanier die Geheimdienstaffäre abgetan, die er als bloßen ‚Nebeneffekt der algorithmischen Überwachungsökonomie‘ ansieht. Viel wichtiger ist ihm eine Stärkung jenes Staats, der gerade gezeigt hat, wie ungeniert er hinter dem Rücken seines Souveräns agiert: ‚Regierungsüberwachung einzuschränken ist zwar wesentlich für die Demokratie, aber die Aktivisten sollten in Erinnerung behalten, dass die Staaten insgesamt gesehen zugunsten jener Unternehmen geschwächt werden, die diese Daten eigentlich sammeln.’“
Die Lanier-Rede „Der High-Tech-Frieden braucht eine neue Art von Humanismus“ ist hier nachzulesen.
#lanier #friedenspreis
Dieser Artikel steht unter der CC-by-Lizenz (mehr dazu). Der Name des Autors/Rechteinhabers soll wie folgt genannt werden: CC-by-Lizenz, Autorin: Ute Demuth für pb21.de.